Unwissenschaftlichkeit der Evolutionskritik

Stichwort: Verweigerung des methodischen Naturalismus

Ein häufiger Vorwurf seitens der Naturwissenschaftler, die sich mit den Anwürfen aus der Riege der Evolutionskritiker auseinandersetzen, ist der, daß der Kreationismus (gleiches gilt im Wesentlichen für die "Intelligent Design"-Bewegung) schlicht unwissenschaftlich sei, da er sich nicht an die Grundregeln der Naturwissenschaften halte.

Strenggenommen ist zur Beantwortung der Frage, inwieweit die vorgebrachte Evolutionskritik naturwissenschaftlich sei oder nicht, eine saubere Definition des Begriffes „(Natur-)Wissenschaft“ notwendig. Mit dieser Thematik befaßt sich ein ganzes Feld der Philosophie, die Wissenschaftstheorie (für weiterführende Literatur s.u.). Deshalb ist es hier in der gegebenen Kürze nicht möglich, auch nur ansatzweise eine redliche und begründete Antwort zu geben. Stattdessen sei auf zwei wesentliche Aspekte (natur-)wissenschaftlichen Arbeitens hingewiesen, die jedem, der selbst beruflich in den Naturwissenschaften arbeitet, aus dem täglichen Erleben vertraut sind:

  • Objektivitätsforderung
  • Beschränkung auf rein innerweltliche Ursachen zur Erklärung der Ergebnisse

Mit der Forderung nach Objektivität eng verbunden ist die unabhängige Wiederholbarkeit der Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen durch andere Wissenschaftler. Die Beschränkung auf rein innerweltliche Ursachen zur Erklärung der erhaltenen Ergebnisse wird gerade von Seiten der Evolutionskritik oft als unberechtigte Parteinahme zugunsten einer philosophischen Grundposition und unbegründbarer a priori-Annahme geschmäht. Trotzdem ist sie mit hoher Sicherheit die entscheidende Grundlage der modernen Naturwissenschaften und verantwortlich für deren Siegeszug.

Das Problem, wollte man auch andere als rein innerweltliche (und damit „natürliche“) Ursachen zur Erklärung zulassen, ist einfach beschrieben: Es bedeutete das Ende jeglichen Forschens, da es per se und per definitionem unmöglich ist, über außerweltliche (und damit übernatürliche) Ursachen Aussagen zu treffen oder gar Vorhersagen über deren Wirkungen zu machen.

Da dieser Punkt häufig gerade von Kritikern der Evolution mißverstanden wird: Die Naturwissenschaft steht der Existenz eines Gottes grundsätzlich neutral gegenüber. Nur wird sie nicht mit der „Hypothese Gott“ zur Erklärung irgendeines Sachverhaltes arbeiten. Wenn diese Herangehensweise der Naturwissenschaften mit den persönlichen Glaubensüberzeugungen mancher Menschen kollidieren, dann ist das nicht das Problem der Naturwissenschaften, sondern in erster Linie das der Glaubensüberzeugungen oder dessen, der sie vertritt.

Fazit: Solange sich die Evolutionskritik dem (methodischen)1) Naturalismus der Naturwissenschaften verweigert, stellt sie sich selbst außerhalb der Naturwissenschaften, ist damit per se unwissenschaftlich, und erreicht diese nicht. Deshalb wird sie auch meist von Seiten der Naturwissenschaftler nicht ernst genommen.

Literatur zur Wissenschaftstheorie

  • Karl Popper: Logik der Forschung. Mohr Siebeck, Tübingen 2005 (11. Auflage, 1. Auflage 1935)
  • Alan F. Chalmers: What is this thing called Science? Open University Press, Third Edition 1999
  • Ian Hacking: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Reclam, Stuttgart 1996 (engl. Original: Representing and Intervening, Cambridge University Press, 1983)
  • Hans Poser: Wissenschaftstheorie. Eine philosophische Einführung. Reclam, Stuttgart, 2001
1)
Die Frage, ob es sich hier um einen methodischen oder philosophischen Naturalismus handelt, worin der Unterschied zwischen beiden besteht und inwieweit das von Bedeutung ist, soll hier nicht weiter behandelt werden. Vgl. dazu z.B.: http://www.evolutionsbiologen.de/leseproben/philnaturalismus.html
schwierigkeiten/unwissenschaftlichkeit.txt · Zuletzt geändert: 2017/12/09 21:27 (Externe Bearbeitung)