Design: Ideen der Nachweisbarkeit in der Natur

Das große Programm sowohl der ID-Bewegung als auch - und offensichtlich schon weitaus früher - der SG Wort und Wissen ist, Design in der Natur nachzuweisen - und zwar nach Möglichkeit mit naturwissenschaftlichen Mitteln.

Zitate

Hier soll zunächst einmal eine Materialsammlung entstehen, die versucht, die Argumentationsweisen nachzuvollziehen und zu dokumentieren, die für diesen „Nachweis von Design in der Natur“ vorgebracht werden.

Woran können Spuren eines Schöpfers erkannt werden? Hier muss man unterscheiden zwischen einem Ansatz, der ohne Vorstellung über den Designer auskommt, und Ansätzen, die auf solche Vorstellungen explizit Bezug nehmen. Wenn man keine Aussagen über das Wirken des Designers macht, kann man nur der Frage nachgehen, was natürliche Mechanismen ohne willentliche Lenkung, also nicht-teleologische Vorgänge, leisten können und was nicht. Man könnte in diesem Fall Design nur dadurch plausibel machen, dass man zeigt, dass bestimmte Phänomene trotz intensiver Forschungsbemühungen durch natürliche Prozesse nicht erklärt werden können […]. Dieser Ansatz ist unter dem Begriff „Intelligent Design“ („ID“) populär geworden. Über den Designer wird dabei lediglich gesagt, dass er zielorientiert gehandelt habe. Aus dieser alleinigen Voraussetzung können jedoch keine konkreten Kennzeiche einer Designer-Tätigkeit abgeleitet werden; man kann also auch nicht nach solchen Kennzeichen suchen. Reinhard Junker: Spuren Gottes in der Schöpfung? SCM Hänssler, Holzgerlingen, 2009, S. 16f.

Gewöhnlich geht man aber anders vor. Wir erkennen Design-Indizien durch unsere Erfahrungen mit menschlichem Design, vor allem in der Technik und der Programmierkunst. Solche Indizien sind z.B. nichtreduzierbar komplexe Systeme, Luxusstrukturen, die nicht durch bloße Zweckmäßigkeit erklärt werden können, oder Merkmale, die nur durch eine Zukunftsorientierung verstehbar sind […]. Man kann nun danach fragen, ob solche typischen Kennzeichen menschlicher Designer (Design-Indizien) auch bei den Lebewesen gefunden werden. Bei dieser Vorgehensweise wird eine gewisse Ähnlichkeit im Design des Urhebers der Lebewesen mit dem Design menschlicher Designer vorausgesetzt. Hier spielen also Annahmen über die Person und die Attribute des Desingers eine maßgebliche Rolle. [Fußnote: Diese Vorgaben können nur theologisch begründet werden. Dass der Schöpfer mit dem Menschen manche Ähnlichkeiten hat, kann biblischen Texten entnommen werden…] Junker, a.a.O., S. 17

Kommentar: Hier wird explizit festgestellt, daß der vertretene Ansatz untrennbar mit einem bestimmten Bibelverständnis verknüpft ist. Das verletzt aber eine zentrale Forderung der Wissenschaftlichkeit: Jenen der Intersubjektivität. Selbst wenn man dem jetzt noch entgegnen könnte, daß jeder frei sei, die Bibel und das entsprechende Verständnis als zusätzliche (Erkenntnis-)Quelle hinzuzuziehen, wird ein weiteres zentrales Kriterium, das der generellen Kritisierbarkeit aller Grundlagen einer wissenschaftlichen Aussage (vgl. Popper, Logik der Forschung), verletzt.

Ein Verdacht auf Design ist dann begründet, wenn nicht-teleologische Erklärungsversuche immer wieder scheitern und sich sogar Grenzen für natürliche Mechanismen abzeichnen. Wenn darüber hinaus nach spezifischem Design (SD) in der Natur gesucht wird, wenn also bestimmte „Methoden“ oder Vorlieben des Designers angenommen werden, eröffnen sich weitere Fragen für die Forschung: Design-Indizien können definiert werden (z.B. „nichtreduzierbare Komplexität oder „spielerische Komplexität“) und ihr Nachweis in der Natur kann versucht werden. Wenn solche Indizien tatsächlich nachweisbar sind, ist eine plausible Interpretation der DAten unter der Voraussetzung eines Designers gelungen. Junker, a.a.O., S. 17

Zum Design-Ansatz gehören Erkennbarkeit von Design und das Fehlen einer nicht-teleologischen Erklärung Junker, a.a.O., S. 18

Könnte ein mutmaßliches Design-Indiz […] durch natürliche Prozesse erklärt werden, verlöre es seinen Charakter als eindeutiges Indiz. Es könnte zwar erkannt werden, Design wäre aber als Erklärung nicht mehr unbedingt notwendig. Junker, a.a.O., S. 18

Wissenschaftliche Forschung soll helfen, die Wahrheit herauszufinden Junker, a.a.O., S. 25, Hervorhebung im Original

Kommentar: Diese Aussage würde ich (persönlich) in Zweifel ziehen – insbesondere vor dem Hintergrund des Autors, der hier von „Wahrheit“ spricht und bei dem der Verdacht naheliegt, daß er damit implizit die „biblisch offenbarte Wahrheit“ meint, ohne das explizit zu sagen. Aber auch sonst wäre ich – vor dem Hintergrund eines von Popper geprägten Wissenschaftsverständnisses – vorsichtig mit dieser programmatischen Zielsetzung. Was ist hier mit dem Begriff „Wahrheit“ gemeint? Wie sollen wir überhaupt erkennen können, wie nah oder fern wir der „Wahrheit“ sind?

Forschung soll nicht unbedingt eine natürliche Entstehungsweise entdecken, sondern versuchen, die tatsächliche Entstehungsweise herauszufinden. Die Möglichkeit, dass die Welt durch Schöpfungsakte Gottes ins Dasein gekommen ist, kann dabei nicht mit wissenschaftlichen Argumenten ausgeschlossen werden. Allein diese Tatsache ist Grund genug, die Option „Design“ offen zu halten. Die Frage nach Hinweisen auf Design in der Biologie ist also legitim. Wenn es eine Schöpfung aus dem Nichts durch Gottes Wort gegeben haben könnte, stellt sich die Frage, wie man mit dieser Möglichkeit wissenschaftlich umgehen soll. Junker, a.a.O., S. 25f., Hervorhebungen im Original

Kommentar: Nur, weil ich etwas nicht ausschließen kann, muß ich es noch nicht zwangsläufig in Erwägung ziehen, wenn andere Erklärungen ebenfalls vielversprechend sind (und/oder gegebenenfalls mit weniger Vorannahmen auskommen).

Im Übrigen ist das „Wie“ hier keine entscheidende Frage. Je mächtiger der Schöpfer ist, desto weniger sinnvoll ist die Frage nach dem „Wie“. Die auffallende Zweckmäßigkeit des Organischen und die (teils wohlbegründete) Aussichtslosigkeit, diese Strukturen natürlich erklären zu können, sind in jedem Fall ein starkes Indiz. Junker, a.a.O., S. 75

Zum Design-Ansatz gehören zwei Aspekte: Hinweise auf das vergangene Wirken eines Schöpfers (Design-Indizien) und das Scheitern von Erklärungen durch ausschließlich natürliche Prozesse […]. Design-Indizien können nur nachgewiesen werden, wenn Aussagen über den Designer gemacht werden (SD-Ansatz), aus denen Kennzeichen von Design abgeleitet werden können. Können Design-Indizien nachgewiesen werden, ist ein (unsicherer) abduktiver Schluss auf Design möglich. DArüber hinaus hat der negative Aspekt der Argumentation für Design Bedeutung, wenn über den (möglichen) abduktiven Schluss auf Design hinaus auch der Schluss auf die beste Erklärung gezogen werden soll. Dann muss auch gezeigt werden, dass naturalistische Erklärungsversuche bislang gescheitert sind. Angesichts der Komplexität der Lebewesen und unserer begrenzten Kenntnisse über ihre Eigenschaften ist ein Unmöglichkeitsbeweis allerdings kaum zu erwarten. Aufgrund des Fortschritts der Forschung ist aber eventuell eine Tendenz hin zu einer Erklärung oder weg von ihr erkennbar. Junker, a.a.O., S. 78, Hervorhebungen im Original

Zum Begriff „spielerische Komplexität“

Als weiteres Design-Indiz wird das Vorkommen von Konstruktionsmerkmalen von Lebewesen angeführt, die ausgefallener erscheinen, als die Funktion der Struktur erwarten läßt. Man könnte hier von „Luxusstrukturen“ oder von „spielerischer Komplexität“ sprechen… Junker, a.a.O., S. 104, Hervorhebungen im Original

Luxus kann sich ein Schöpfer erlauben, es ist ein typisches Kennzeichen von Planung, daher als „Design-Indiz“ interpretierbar. […] Dagegen können für das Auftreten funktional überflüssiger Strukturen kaum Selektionsdrücke plausibel gemacht werden. Von einem selektionsabhängigen evolutionären Entstehungsprozess sollte man vielmehr einfache, sparsame Lösungen erwarten. Diese gibt es ja auch – und sie funktionieren mindestens ebenso gut wie die extravaganten. Warum gibt es also noch ausgefallene Versionen? Junker, a.a.O., S. 104

Kommentar: Hier scheint etwas zu viel an menschlicher Wertung eingeflossen zu sein. An anderen Stellen verwahrt sich Junker selbst (zurecht) gegen die Beurteilung biologischer Strukturen in Kriterien von „funktional/funktionslos“, „sinnvoll“ etc. (Junker, Rudimentäre Organe und Atavismen, Zeitjournal-Verlag, Berlin 1989). Definitiv wertende, von menschlichen Maßstäben der Ingenieurskunst ausgehende Begriffe in den beiden oben zitierten Passagen: „ausgefallener erscheinen, als die Funktion der Struktur erwarten läßt“, „funktional überflüssig“, „funktionieren mindestens ebenso gut“, „extravagant“.

Es ist ja gerade von einem ungerichteten Prozeß zu erwarten, daß er kein „Bewußtsein“ für Effizienz und den für uns augenscheinlich elegantesten Weg hat. Ein Organismus hat ja nicht die Chance, zu wählen, welche Struktur er für eine bestimmte Aufgabe nimmt, sondern durch einen ungerichteten Selektionsprozeß entstehen mitunter auch hochgradig komplexe Systeme, die den Zweck erfüllen, allerdings von Menschen ganz anders gemacht würden.

Zur „potentiellen Komplexität“

Eine dritte Sorte von Design-Indizien könnten Fähigkeiten von Lebewesen sein, die durch aktuelle Selektionsbedingungen und durch Selektionsbedingungen ihrer mutmaßlichen Vorfahren nicht erklärt werden können, jedoch durch potentielle zukünftige Auslesefaktoren. Junker, a.a.O., S. 106

Rein naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle können nur streng gegenwartsorientiert sein, da sie eben keine vorausschauende Instanz kennen. Auslese auf zukünftige Bedürfnisse ist unmöglich […] Wenn also plausibel gemacht werden kann, dass die Lebewesen zu mehr potentiell fähig sind, als dem, was sie aktuell brauchen und früher brauchten, ist das ein starkes Argument für Planung. Denn die Existenz von Variationsprogrammen, die erst für zukünftige Erfordernisse relevant sein könnten, ist evolutionär nicht zu erwarten, da die Evolutionsmechanismen nicht zukunftsorientiert sind. Junker, a.a.O., S. 106, Hervorhebungen im Original

Kommentar: Dieses Argument funktioniert meines Erachtens aus mehreren Gründen nicht: Zum einen bedarf es einer genauen Analyse des Einzelfalls, um welche „Fähigkeiten“ es sich handelt, die diese Lebewesen vorher nicht brauchten, zum anderen gelingt es nicht umfassend, die „früheren Notwendigkeiten“ genau zu rekonstruieren, da dazu die genaue frühere Umwelt und die Interaktion des zu untersuchenden Organismus bekannt sein müßte.

Auch wenn es im konkreten Fall unklar bleibt, was man sich unter „Variationspogrammen“ vorzustellen hat, ein paar Gedanken dazu: Viele, auch komplexe phänotypische Variationen können durch einzelne oder wenige Regulationsgene gesteuert werden. Weiterhin kann man aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit komplexen Systemen davon ausgehen, daß sie durch entsprechende Veränderung der äußeren Bedingungen (sozusagen der „Startparameter“) sehrwohl komplexes, vorher nicht beobachtbares Verhalten zeigen. Ein einfaches Beispiel für solche Systeme sind gekoppelte Differenzialgleichungen wie das Lotka-Volterra-System (Räuber-Beute) oder –zugegeben schon komplexer – Zellzyklusmodelle (Bela Novak), die aus einer Reihe gekoppelter Differentialgleichungen bestehen und die interessantes nichtlineares Verhalten (mehrere stabile Fixpunkte, Bifurkationen etc.) zeigen, das zum Teil experimentell demonstriert werden konnte. Dabei handelt es sich zumindest teilweise um unphysiologische Zustände des Systems, doch die Tatsache, daß die entsprechenden Systeme in der Praxis tatsächlich in die vom Modell vorhergesagten alternativen stabilen Bereiche des Parameterraums gebracht werden konnten, ist zumindest ein starkes Indiz für die erfolgreiche Modellierung - und nebenher für eine nicht offensichtliche Komplexität des Verhaltens dieser Systeme.

Wie auch beim Design-Indiz der spielerischen Komplexität ist ein sicherer Nachweis von potentieller Komplexität aufgrund der Komplexität der Lebewesen kaum möglich. Junker, a.a.O., S. 108

In jedem Fall kann man aus der Perspektive eines Urhebers die Existenz von „Variationsgeneratoren“ gut verstehen; das wäre eine geniale Erfindung. […] Aus dieser Perspektive ist die Frage naheliegend, ob die Organismen so konzipiert sind, dass sie mehr Fähigkeiten besitzen, als sie zum unmittelbaren Überleben benötigen. Diese Frage ergibt nur vor dem Hintergrund eines zwecksetzenden Urhebers einen Sinn. Junker, a.a.O., S. 108

Kommentar: Die Behauptung, diese Fragestellung mache nur vor dem Hintergrund eines (intelligenten) Urhebers einen Sinn, ist meines Erachtens schlicht falsch. Es ist ja gerade auch imKontext eines blinden evolutionären Prozesses zu erwarten, daß Systeme, die durch die Komplexität der Regulation ihrer genetischen Programme intrinsisch solche „Variationsgeneratoren“ in sich tragen, einen selektiven Vorteil haben und deshalb eher überleben und sich letztlich durchsetzen.

Unter dem Stichpunkt „Redundanzen“ führt Junker aus:

Redundanzen sind auf Zukunft angelegt: für den Fall eines zukünftig auftretenden Fehlers ist Ersatz vorprogrammiert. Zukunftsorientierung kann allgemein als starkes Verdachtsmoment auf Design gelten, da ungelenkte Mechanismen nicht vorausschauen können. Junker, a.a.O., S. 116

Kommentar: Hier gilt gleiches wie schon oben für die „potentielle Komplexität“ gesagt: Die durch Redundanzen erzeugte Robustheit ist sehrwohl ein selektiver Vorteil, zumal die Redundanz z.B. durch Gendopplungen erzeugt werden kann.

Die Existenz von Design-Indizien der beschriebenen Art kann geprüft und ggf. auch widerlegt werden und zwar dadurch, dass der eindeutige Indiziencharakter durch eine konkurrierende Erklärung verloren geht. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass im Falle einer solchen Widerlegung nicht ein Schöpfer als überflüssig erwiesen wäre, und zwar aus zwei Gründen: Nach biblischem Verständnis wirkt Gott auf verborgene Weise auch in den regelhaften Naturvorgängen […]. Und Design-Indizien können auch dann durch die Tätigkeit eines Schöpfers erklärt werden, wenn ihre Entstehung auch nicht-teleologisch erklärt werden kann; doch der Versuch, Gottes Schöpferwirken auch anhand besonderer Kennzeichen der Schöpfung (den Design-Indizien) als wahrscheinlicher darzustellen, wäre gescheitert. Junker, a.a.O., S. 118f., Hervorhebung im Original

Kommentar: Hier wird sehr schön die Unwissenschaftlichkeit der Art und Weise deutlich, in der hier ein Schöpfer angenommen wird. Nach Popper sind Dogmen als Begründungssätze für Aussagen der Wissenschaft „tabu“, letztlich müssen alle Begründungen grundsätzlich kritisierbar sein. Hier wird aber eine zentrale Prämisse jeglicher Kritisierbarkeit entzogen.

Man könnte nun entgegnen, daß von der „Gegenseite“ die Grundprämisse einer rein naturalistischen Erklärbarkeit des Ursprungs der Welt und des Lebens ebenfalls der Kritisierbarkeit entzogen werde, da an ihr wie an einem Dogma festgehalten werde – und in Einzelfällen mag das tatsächlich zutreffen. Andererseits gibt es wenig Grund dazu, denn wenn man nüchtern diese Grundprämisse einer naturalistischen Erklärbarkeit hinterfragt und als Alternative einen Schöpfer ins Spiel bringt, dann können die beiden Erklärungsansätze miteinander hinsichtlich ihrer Plausibilität verglichen werden. Innerhalb der „Spielregeln“ des kritischen Rationalismus sieht es dabei für die Schöpferhypothese recht eng aus. Natürlich kann man dann immer noch den kritischen Rationalismus verlassen – aber dann sollte man sich auch nicht wundern, wenn man dann der Unwissenschaftlichkeit bezichtigt und nicht weiter ernstgenommen wird.

Mit wissenschaftlichen Theorien werden natürliche, regelhaft oder gesetzmäßig ablaufende Prozesse beschrieben. In dieser Form kann es keine Design-Theorie geben. Design beinhaltet vielmehr, dass die Lebewesen einen intentionalen Ursprung haben, deshalb entsprechende Merkmale aufweisen und dass diese anhand geeigneter Kriterien erkannt werden können. […] Forschung im Rahmen des Design-Ansatzes ist die Suche nach bestimmten Kennzeichen der Lebewesen, die als Hinweise auf Planung gelten (Design-Indizien). Es werden also keine alternativen Theorien zu natürlichen Mechanismen entwickelt, sondern der Nachweis angestrebt, dass Mechanismen unzureichend für die Entstehung bestimmter Strukturen sind. Dazu muss deren Leistungsfähigkeit untersucht werden. Junker, a.a.O., Zusammenfassung, S. 163, Hervorhebung im Original

Kommentar: Der hier geschilderte Forschungsansatz ist „destruktiv“, als daß er keine alternativen Theorien zu natürlichen Mechanismen entwickelt, sondern nur die Unzulänglichkeit der bisher bekannten aufzeigen will (was auch und gerade im Rahmen einer popperschen Wissenschaftsphilosophie erlaubt und gewünscht ist). Daraus die Schlußfolgerung abzuleiten, es handle sich um Design, ist allerdings „das Ende der Fahnenstange“, da, wie weiter oben zitiert, Junker explizit davon ausgeht, daß über das „Wie“ der Schöpfung keine Aussage getroffen werden könne. Infolgedessen ist der „Design-Ansatz“ selbst wissenschaftlich unproduktiv, lediglich eine Kritik der wissenschaftlichen Arbeit anderer.

Waschke […] nennt als Falsifikationsmöglichkeit: „Wenn es ID-Anhängern gelingt, die Existenz eines Designers zu zeigen, ist eine durchgehend naturalistische Erklärung nicht mehr möglich.“ Doch dies ist prinzipiell nicht möglich, da es im Wesen eines Designers liegt, dass er nicht in dem von ihm Geschaffenen festgestellt werden kann. Junker, a.a.O., S. 128, Hervorhebung im Original

Kommentar: Wie legt Junker dann Röm 1,20 aus („Denn sein unsichtbares [Wesen], sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien“)? Zugegeben hat dieses Argument nichts mit Wissenschaft zu tun, aber da offensichtlich ist, daß Junker von einer „bibeltreuen“ Position ausgeht, wäre doch interessant, ob er sich mit seiner Aussage nicht selbst grob widerspricht, zumal er ein Kapitel später schreibt:

Es sei an das in Kapitel 1 zu Römer 1,18ff. Gesagte erinnert: Dort wird gesagt, „dass ein aufmerksames Beobachten der Schöpfung unter Einsatz des Verstandes auf einen Urheber schließen lässt, ja sogar dass man auf diesem Wege etwas über sein Wesen erkennen kann“. Junker, a.a.O., S. 144

Eine Lösung wäre natürlich, daß er damit ID „abschießt“ und implizit darauf heraus will, daß Röm 1,20 nur im Rahmen von SD möglich und sinnvoll ist.

Das häufig bemühte SETI-Argument hinkt meines Erachtens: Dem SETI-Projekt liegt mitnichten die (weltanschauliche) Idee zugrunde, daß die Urheber der Signale, nach denen gesucht wird, nicht natürlich entstanden sein können, sondern daß die Signale, nach denen gesucht wird, von intelligenten Lebewesen kommt, die aber ihrerseits durchaus wiederum evolutiv entstanden sein könnten. Im Rahmen einer allgemeinen Gültigkeit des Evolutionsparadigmas wird ja gerade erwartet, daß, entsprechende Parameter vorausgesetzt, Leben auch an anderer Stelle entstehen kann. Es ist natürlich wieder etwas vollkommen anderes, wie man das Ausbleiben entsprechender Funde von Signalen interpretiert.

Versuch einer Zusammenfassung

Junker unterscheidet zwei Formen des Design-Argumentes (Junker, a.a.O. S, 16f.): „Intelligent Design“ (ID) und „spezifisches Design“ (SD). ID macht nach Junker keine Annahmen über den Designer und kann Design deshalb nur dadurch plausibel machen, daß gezeigt gezeigt wird, daß bestimmte Phänomene trotz intensiver Forschungsbemühungen nicht durch natürliche Prozesse erklärt werden können. Es handelt sich hier also um ein argumentum ad ignorantiam. Bei SD spielen hingegen Annahmen über die Person und die Attribute des Designers eine maßgebliche Rolle. Explizit erwähnt Junker hier den Gott der Bibel (bzw. sein Bild dieses Gottes, das aus seiner spezifischen Auslegung der Bibel resultiert).

Fazit: Während ID nur Negativargumente liefern kann (bei denen fraglich ist und immer wieder diskutiert wird, ob es sich um eine gültige Form von Argumenten handelt), verletzt SD wesentliche grundlegende Kriterien der Wissenschaft, in erster Linie das Kriterium der Intersubjektivität. Selbst wenn man hier entgegnen könnte, jeder sei frei, die Bibel und das entsprechende Verständnis als zusätzliche (Erkenntnis-)Quelle hinzuzuziehen, wird ein weiteres zentrales Kriterium, verletzt: das der generellen Kritisierbarkeit aller Grundlagen einer wissenschaftlichen Aussage (vgl. Popper, Logik der Forschung).

Was gerade bei der Behandlung der „Design-Indizien“ (Kapitel 7 in Junker, a.a.O.) deutlich wurde: Variation spielt sich auf der Ebene der Gene ab, Selektion in hohem Maße auf der Ebene des Phänotyps, aber wir sind noch sehr weit davon entfernt, die molekularen Grundlagen des Lebens soweit zu verstehen, daß wir uns realistischerweise ernsthaft an Fragen der Evolvierbarkeit auf molekularem Niveau heranwagen könnten – zumindest ist mir nichts derartiges bekannt. Insofern ist die Frage nach der Möglichkeit konkreter evolutionärer Schritte auf dem eigentlich relevanten molekularen Niveau bislang nicht quantifizierbar. Es gibt allerdings mittlerweile immerhin einzelne biochemische/molekularbiologische Abläufe, die durch Modelle beschrieben werden und aufgrund der Qualität der Modelle als verstanden gelten können (Zellzyklus-Modellierung von Bela Novak et al., Homepage).

Fragen an R. Junker

  • Aussagekraft und Wissenschaftlichkeit des Design-Ansatzes
  • Wahrheit als Ziel von Wissenschaft
  • Auslegung von Röm. 1,20

Aussagekraft und Wissenschaftlichkeit des Design-Ansatzes

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, unterscheiden Sie zwischen „Intelligent Design“ (ID) und „spezifischem Design“ (SD). ID macht ihren Ausführungen zufolge keine Annahmen über den Designer und kann Design deshalb nur dadurch plausibel machen, daß gezeigt gezeigt wird, daß bestimmte Phänomene trotz intensiver Forschungsbemühungen nicht durch natürliche Prozesse erklärt werden können. Es handelt sich hier also um ein argumentum ad ignorantiam. Bei SD spielen hingegen Annahmen über die Person und die Attribute des Designers eine maßgebliche Rolle. Explizit erwähnen Sie hier den Gott der Bibel.

Unter der Annahme, Ihre Aussagen richtig zusammengefaßt zu haben, ergibt sich für mich folgender Schluß: Während ID nur Negativargumente liefern kann (bei denen fraglich ist bzw. diskutiert wird, ob es sich um eine gültige Form von Argumenten handelt), verletzt SD wesentliche grundlegende Kriterien der Wissenschaft, in erster Linie das Kriterium der Intersubjektivität. Selbst wenn man hier entgegnen könnte, jeder sei frei, die Bibel und das entsprechende Verständnis als zusätzliche (Erkenntnis-)Quelle hinzuzuziehen, wird ein weiteres zentrales Kriterium, verletzt: das der generellen Kritisierbarkeit aller Grundlagen einer wissenschaftlichen Aussage (vgl. Popper, Logik der Forschung).

Zwar gehen Sie in Kapitel 8 darauf ein, daß Ihrer Ansicht nach auch eine naturalistische Grundposition nicht intersubjektiv sei (was ich vorsichtig anzweifeln möchte, zumindest erscheint sie mir vergleichsweise intersubjektiver als die Annahme eines Designers). Allerdings ergibt sich für mich aus Ihren Ausführungen, daß man ja zunächst für die wissenschaftliche Forschung genau diese Position brauche, um dann, wenn man mit ihr nicht weiterkommt, dann doch noch auf die „Designer-Option“ umzuschwenken.

Wahrheit als Ziel von Wissenschaft

Mehrfach schreiben Sie, eine der Wahrheit verpflichtete Wissenschaft müsse sich alle Erklärungsoptionen, und damit auch den Design-Ansatz, offenhalten.

Die Frage, inwieweit reale Wissenschaft tatsächlich der Wahrheit verpflichtet ist bzw. ob Wissenschaftler tatsächlich in dem Bewußtsein forschen, „Wahrheit“ erkennen zu wollen, respektive ob diese Frage für die Praxis des Forscheralltags Relevanz hat, sei einmal dahingestellt.

Was mich hier interessiert, wäre Ihre Idee, wie wir denn überhaupt Wahrheit als solche erkennen können. Naheliegend wäre hier natürlich der Verweis auf „Offenbarung“. Allerdings werden Sie mir eventuell zustimmen, daß dieser Verweis auf „Offenbarung“ innerhalb der Wissenschaftsgemeinde (nicht nur den Naturwissenschaften) nicht auf Zustimmung stoßen wird.

Auslegung von Röm. 1,20

Auf S. 128 Ihres Buches zitieren Sie T. Waschke und kommentieren seine Aussage:

Waschke […] nennt als Falsifikationsmöglichkeit: „Wenn es ID-Anhängern gelingt, die Existenz eines Designers zu zeigen, ist eine durchgehend naturalistische Erklärung nicht mehr möglich.“ Doch dies ist prinzipiell nicht möglich, da es im Wesen eines Designers liegt, dass er nicht in dem von ihm Geschaffenen festgestellt werden kann.

Wie legen Sie dann aber Röm 1,20 aus? Zugegeben hat dieses Argument nichts mit Wissenschaft zu tun. Trotzdem argumentieren Sie ja ein Kapitel später (S. 144) genau mit dieser Passage:

Es sei an das in Kapitel 1 zu Römer 1,18ff. Gesagte erinnert: Dort wird gesagt, „dass ein aufmerksames Beobachten der Schöpfung unter Einsatz des Verstandes auf einen Urheber schließen lässt, ja sogar dass man auf diesem Wege etwas über sein Wesen erkennen kann“.

Für mich ergibt sich aus der Zusammenschau der beiden zitierten Passagen ein Widerspruch Ihrer Argumentation. Das kann natürlich auf einem Mißverständnis meinerseits beruhen. Für eine kurze Aufklärung diesbezüglich wäre ich Ihnen jedenfalls sehr verbunden.

ontologischer und methodischer Naturalismus

Häufig wird die Behauptung aufgestellt, der methodische Naturalismus der (Natur-)Wissenschaften werde zum ontologischen Naturalismus, wenn man ihn auf die Ursprungsfrage anwende, da man dan per se einen Schöpfer ausschließe.

Tatsächlich scheint mir das aber eine unerlaubte Anwendung des tertium non datur zu sein. Die Wissenschaft selbst ist nach Popper im besten Sinne des Wortes agnostisch, sie kann keine Aussagen über die Existenz eines Gottes machen, solange er sich nicht mit den Mitteln der (Natur-)Wissenschaft fassen läßt. Deshalb ist eine Herangehensweise an die Ursprungsfrage auf Grundlage des methodischen Naturalismus eben gerade kein ontologischer Naturalismus (bzw. Atheismus), sondern lediglich Agnostizismus. Ob der einzelne Wissenschaftler daraus für sich eine theistische/deistische oder eine atheistische Position ableitet, ist in die Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers als Mensch und selbständiges Individuum gestellt, aber überschreitet dann tatsächlich den Rahmen der Wissenschaft.

Das Einzige, was der methodische Naturalismus der Naturwissenschaften hinsichtlich der Ursprungsfrage aufgrund seines großen Erfolgs nahezulegen scheint, ist, daß es keiner nichtnaturalistischen Erklärungen zur Erklärung des Ursprungs der Lebewesen bedarf. Deshalb lehnen die meisten Wissenschaftler eine „spezielle Schöpfung“ als unwissenschaftlich ab, da sie tatsächlich eine als unnötig erscheinende Verkomplizierung des Erklärungsansatzes darstellt.

Wichtig: Der methodische Naturalismus der Wissenschaften bleibt immer methodisch. Ontologisch ist erst der Schluß eines einzelnen Wissenschaftlers aufgrund der Datenlage der Wissenschaften. Vielleicht ist diese harte Trennung zwischen Wissenschaft und Wissenschaftler etwas künstlich, aber m.E. für diese Diskussion notwendig, um etwas Klarheit in die Debatte zu bekommen.

Faustkeil und Designer

Es wird von Junker argumentiert, daß man vom Faustkeil ja ganz zwanglos auf den Designer schließe und daß man dort auch mit dem Ausschluß der natürlichen Erklärung argumentiere. Tatsächlich ist es hier aber doch so, daß man vom Designer – dem Menschen – weiß, und daß man deshalb hier beim Auffinden eines Faustkeils auf die frühere Anwesenheit eines Menschen schließt. Es wäre interessant, herauszubekommen, ob das „Faustkeile sind menschliche Relikte“ nicht erstmalig dadurch bestätigt wurde, daß man sie an Feuerstellen fand - möglichst zusammen mit Skeletten.

Insofern ist das Argument, das Junker hier bringt, vielleicht nicht unzulässig, doch aber wenig schlüssig bzw. wenig hilfreich für den Zweck, den er im Blick hat, nämlich die Parallele zum Schluß auf einen (göttlichen) Designer anhand von Strukturen in der Natur.

Auf den Punkt gebracht: Beim Faustkeil ist vorher die Existenz des Designers bekannt und der Faustkeil dient, alleine gefunden, als Hinweis auf den Menschen. Beim vermeintlichen Design in der Natur ist der Designer nicht vorher bekannt – zumindest, wenn man Offenbarung außen vor läßt. Es handelt sich also um zwei verschiedene Tatbestände.

Selbst wenn die These des menschlichen Ursprungs des Faustkeils aufgekommen sein sollte, bevor man ihn zusammen mit eindeutig menschlichen Hinterlassenschaften gefunden hat, wäre der menschliche Ursprung durch solche – dann nachträglichen – Funde überwältigend bestätigt worden, was für die jetzige Situation (Schluß: Faustkeil → menschliche Aktivität) keinen Unterschied macht.

Emailverkehr mit Reinhard Junker

Untenstehend die Antwort Reinhard Junkers auf meine oben abgedruckte formulierte Email an ihn mit Fragen zu seinem Buch „Spuren Gottes in der der Schöpfung“ bzw. dessen Inhalten – versehen mit meinen Kommentaren zu einzelnen Punkten. Das dient zunächst mal der Formulierung, bevor ich ihm diese Anmerkungen dann wieder als Antwort auf seine Email zurückschicke.

Am Samstag, den 17.07.2010, 15:26 +0200 schrieb R.Junker,SG Wort und Wissen:

Lieber Herr Biskup,

vielen Dank für Ihre email und Ihr Interesse. Ich versuche zu antworten.
1. Aussagekraft und Wissenschaftlichkeit des Design-Ansatzes

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, unterscheiden Sie zwischen
„Intelligent Design“ (ID) und „spezifischem Design“ (SD). ID macht ihren
Ausführungen zufolge keine Annahmen über den Designer und kann Design
deshalb nur dadurch plausibel machen, daß gezeigt gezeigt wird, daß
bestimmte Phänomene trotz intensiver Forschungsbemühungen nicht durch
natürliche Prozesse erklärt werden können. Es handelt sich hier also um
ein argumentum ad ignorantiam.


wobei dazukommen sollte, dass es schon einige Bemühungen zur Lösung gab
und idealerweise der Wissensfortschritt die Erklärungsprobleme noch
vergrößert, jedenfalls nicht verkleinert.

Inwieweit hier Wissensfortschritt die Erklärungsprobleme vergrößert oder verkleinert, scheint mir, wenn ich mir die gesamte Diskussion betrachte, ein subjektives, ergo weiches Kriterium zu sein, das kaum dazu taugt, hier klare Aussagen zugunsten einer der beiden Positionen zu machen.

Aus meiner eigenen wissenschaftlichen Erfahrung der vergangenen fünf Jahre kann ich sagen, daß die Erfahrung, daß Wissensfortschritt eher die Erklärungsprobleme vergrößert als verkleinert, also jedes neue Ergebnis mehr Fragen aufwirft als es beantwortet, durchaus an der Tagesordnung ist – und bei meinem Forschungsgebiet handelt es sich um empirische Forschung. Allerdings sollte ich aber auch nicht verschweigen, daß es zumindest in meinem Fall einen Punkt gab, an dem ich dann einen Großteil der vorher sehr verwirrenden Ergebnisse entlang eines roten Fadens aufreihen konnte. Trotzdem, soviel sei hier schon vorweggenommen: Meine Erklärungen (der „rote Faden“) betrachte ich keinesfalls als der „Weisheit letzter Schluß“ oder als zwangsläufig richtig. Es ist lediglich eine Erklärung, die für den Augenblick die Datenlage halbwegs befriedigend erklärt, weitere Experimente (ergo Forschung) motiviert und ihnen eine Richtung weist, und es ist die beste (weil zunächst einmal einzige so weitreichende) Erklärung. Dazu kommt, daß sie ständiger Hinterfragung und zumindest geringfügiger Modifikation unterworfen ist.

Bei SD spielen hingegen Annahmen über die
Person und die Attribute des Designers eine maßgebliche Rolle. Explizit
erwähnen Sie hier den Gott der Bibel.

Unter der Annahme, Ihre Aussagen richtig zusammengefaßt zu haben, ergibt
sich für mich folgender Schluß: Während ID nur Negativargumente liefern
kann (bei denen fraglich ist bzw. diskutiert wird, ob es sich um eine
gültige Form von Argumenten handelt), verletzt SD wesentliche
grundlegende Kriterien der Wissenschaft, in erster Linie das Kriterium
der Intersubjektivität.


Eigentlich nur bezüglich der Zulassung von Erklärungstypen. Die
Argumentation sollte intersubjektiv nachvollziehbar sein.

Einspruch, bzw. ein Nachhaken meinerseits: Das Design-Argument generell (also sowohl ID als auch SD) fordert, andere als in den Wissenschaften sonst übliche Erklärungstypen zuzulassen, nämlich neben der rein „naturalistischen“ auch eine „supranaturalistische“ Erklärung. SD im speziellen allerdings geht, soweit ich Ihre Ausführungen verstanden habe, von einem konkreten Wissen über den Designer bzw. sein Wesen aus und versucht, daraus Aussagen abzuleiten bzw. Kriterien aufzustellen, wie sich Design positiv bestimmen lassen soll. Auf diesen Aspekt des Wissens über den Designer bzw. sein Wesen als Voraussetzung für wissenschaftliche Erklärungen stützte (und stütze) ich meine Aussage, SD verletzte das für die Wissenschaft (aus meiner Sicht, und soweit ich Popper verstanden habe, kann ich mich da auf ihn berufen) grundlegende Kriterium der Intersubjektivität. (Zur Sicherheit: Ich berufe mich auf Popper nur hinsichtlich der Bedeutung der Intersubjektivität, keinesfalls hinsichtlich des Design-Argumentes.)

Es mag gut sein, daß ich mich zunächst nicht deutlich ausgedrückt hatte, daher möchte ich Sie bitten, noch einmal kurz hierzu Stellung zu nehmen.

Selbst wenn man hier entgegnen könnte, jeder sei
frei, die Bibel und das entsprechende Verständnis als zusätzliche
(Erkenntnis-)Quelle hinzuzuziehen, wird ein weiteres zentrales
Kriterium, verletzt: das der generellen Kritisierbarkeit aller
Grundlagen einer wissenschaftlichen Aussage (vgl. Popper, Logik der
Forschung).


Ich habe erläutert, wie das Design-Argument im Sinne von SD scheitern
kann. Das Argument ist kritisierbar und widerlegbar, nämlich durch den
Nachweis der Möglichkeit einer natürlichen Entstehung.

Auch hier fühle ich mich nicht ganz richtig verstanden – insofern werde ich mich wohl wirklich unklar ausgedrückt haben. Was ich hier meinte, ist, daß SD eine (Erkenntnis-)Quelle hinzuzieht, um Aussagen über das Wesen des Designers machen zu können, um darauf aufbauend dann Kriterien formulieren zu können, wie Design positiv nachgewiesen werden könne.

Meines Erachtens verletzt aber diese (Erkenntnis-)Quelle das (ebenfalls von Popper betonte) Kriterium der generellen Kritisierbarkeit aller Grundlagen einer wissenschaftlichen Aussage, insbesondere dann, wenn es sich bei der (Erkenntnis-)Quelle um eine Offenbarungsquelle wie in Ihrem Verständnis die Bibel (und darüber hinaus noch Ihr spezifisches Verständnis, wie diese Quelle auszulegen, respektive zu verstehen sei) handelt.

Zwar gehen Sie in Kapitel 8 darauf ein, daß Ihrer Ansicht nach auch eine
naturalistische Grundposition nicht intersubjektiv sei (was ich
vorsichtig anzweifeln möchte, zumindest erscheint sie mir
vergleichsweise intersubjektiver als die Annahme eines Designers).


Wieso sollte eine _ontologisch_ (!) naturalistische Position weniger
subjektiv sein?

Das Problem, das ich mit dieser Aussage habe, ist, daß ich anzweifle, daß es sich bei einer naturalistischen Grundposition der Naturwissenschaften um eine ontologisch naturalistische Position, also faktisch einen Atheismus im Gegensatz zu einem Agnostizismus, handelt.

Diesen Punkt würde ich allerdings, Ihr Einverständnis voraussetzend, gerne für's Erste auslagern und getrennt von den anderen Punkten unserer momentanen Unterhaltung gerne mit Ihnen diskutieren. Das hat zwei einfache Gründe: Zum einen wollte ich für die weitere Diskussion dieses Punktes gerne selbst noch einmal in der entsprechenden Literatur (Popper etc.) nachschauen, bin aber gerade noch für fünf Tage im Urlaub und daher „getrennt“ von dieser Literatur, zum anderen gibt es noch genügend andere Aspekte unserer momentanen Unterhaltung, bei denen aus meiner Sicht noch Klärungs- bzw. Konkretisierungsbedarf besteht, der aber schon in der Zwischenzeit gedeckt werden könnte.

Allerdings ergibt sich für mich aus Ihren Ausführungen, daß man ja
zunächst für die wissenschaftliche Forschung genau diese Position
brauche, um dann, wenn man mit ihr nicht weiterkommt, dann doch noch auf
die „Designer-Option“ umzuschwenken.


Es ist etwas anders. Die empirische Forschung, die nur mit regelhaft
wirksamen Prozessen operiert, ist für alle gleich und auch Teil der
Forschung im Rahmen von ID oder SD. Der Unterschied betrifft die
Erklärung der _Genese_ dessen, was man erforscht. Die geht nicht direkt
empirisch, sondern nur indirekt (via Indizien) oder modellhaft (z. B.
mit Simulationen, mit denen _Mögloichkeiten_ ausgelotet werden können).
Da gibt es dann auch keinen Schwenk, sondern verschiedene Möglichkeiten
der Herangehensweise: Werden auch in Genesefragen nur ateleologische
Prozesse zugelassen oder besteht Offenheit für teleologische?

Auch hier sehe ich eine grundlegende Schwierigkeit, nämlich eine in meinen Augen künstliche und so nicht aufrechtzuerhaltende Trennung zwischen empirischen und „historischen“ Wissenschaften. Da das allerdings direkt mit dem zuvor von mir angesprochenen Aspekt des ontologischen Naturalismus vs. eines Agnostizismus der Wissenschaften (hinsichtlich teleologischer Aspekte und der Existenz höherer Wesen etc.) zusammenhängt, würde ich diese beiden Aspekte, Ihr Einverständnis wiederum voraussetzend, gerne getrennt von der momentanen Unterhaltung mit Ihnen vertiefen.

2. Wahrheit als Ziel von Wissenschaft

Mehrfach schreiben Sie, eine der Wahrheit verpflichtete Wissenschaft
müsse sich alle Erklärungsoptionen, und damit auch den Design-Ansatz,
offenhalten.


Ja, das gilt von einem wissenschaftstheoretischen Standpunkt aus. Als
Christ habe ich hier natürlich schon eine Grundsatzentscheidung
getroffen. Mein Punkt ist der, dass auch ohne diese
Grundsatzentscheidung Offenheit für veeschiedene Antwortmöglichkeiten
angebracht ist.

Die Frage, inwieweit reale Wissenschaft tatsächlich der Wahrheit
verpflichtet ist bzw. ob Wissenschaftler tatsächlich in dem Bewußtsein
forschen, „Wahrheit“ erkennen zu wollen, respektive ob diese Frage für
die Praxis des Forscheralltags Relevanz hat, sei einmal dahingestellt.


Ok! Das kann man in der Tat in Frage stellen, hat aber Konsequenzen.
Ohne Wahrheitsorientierung wird Wissenschaft zu einem irrelvanten Spiel.

Da muß ich Ihnen sowohl aus theoretischen (bzw. wohl auch (wissenschafts-)philosophischen) Aspekten als auch aufgrund meiner eigenen wissenschaftlichen Erfahrung der vergangenen fünf Jahre widersprechen. Sicherlich ist auf jeden Fall zweiteres ein subjektives Argument (und als solches möchte ich es explizit kennzeichnen und auch verstanden wissen, wenngleich ich der – ebenfalls subjektiven – Überzeugung bin, daß es sich sehr weit verallgemeinern läßt).

Tatsächlich würde ich, um eine provokative These an den Beginn zu stellen, soweit gehen zu behaupten, daß eine einer (offenbarten) Wahrheit verpflichtete Wissenschaft in Gefahr läuft, keine Wissenschaft mehr zu sein, sondern zum Handlanger eines dogmatischen Systems zu werden (das sieht man, um einmal ein uns beide nicht betreffendes Beispiel zu wählen, u.a. an der „kommunistischen Genetik“ unter Stalins Herrschaft).

Um es von der anderen Seite her zu formulieren: Aus meiner eigenen Erfahrung des wissenschaftlichen Alltags geht es (zumindest empirischer, und mit hoher Sicherheit auch nicht „historischer“) Wissenschaft nicht um „Wahrheit“, sondern darum, die bekannten Fakten/Daten möglichst vollständig in einen Erklärungsrahmen einzubetten, der sich dann auch noch durch weitergehende Forschung bestätigen oder, was wichtiger ist, falsifizieren läßt. Kurz: „Wahrheit“ als (letztlich metaphysisches) Kriterium spielt in der Praxis (empirischer) Wissenschaft keine Rolle.

Jeder Wissenschaftler weiß ob der Vorläufigkeit seiner aufgestellten Erklärungsmodelle und der Eingeschränktheit seiner Sicht und Fähigkeiten. Das fängt an bei den intrinsischen Einschränkungen der verwendeten Meßmethoden (bzw. der Apparaturen), geht weiter mit der Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit, bestimmte Proben zu bekommen bzw. herzustellen, die man für die potentielle Falsifikation des Erklärungsansatzes bräuchte, und endet (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) bei seinem Bewußtsein, daß sein Überblick auch über das eigene Fachgebiet nie allumfassend sein kann und wird.

Was mich hier interessiert, wäre Ihre Idee, wie wir denn überhaupt
Wahrheit als solche erkennen können. Naheliegend wäre hier natürlich der
Verweis auf „Offenbarung“. Allerdings werden Sie mir eventuell
zustimmen, daß dieser Verweis auf „Offenbarung“ innerhalb der
Wissenschaftsgemeinde (nicht nur den Naturwissenschaften) nicht auf
Zustimmung stoßen wird.


Ja, da werden wir keine Zustimmung bekommen. Aber wer meint, es gebe gar
keine Wahrheit oder keine Möglichkeit, ihr näher zu kommen oder ein
Näherkommen könne man nicht von einem Entfernen mit unseren
Erkenntnismöglichkeiten unterscheiden, der muss sich doch fragen, was er
eigentlich mit der Wissenschaft will - oder? Es würde sich dann auch
erübrigen, für Überzeugungen zu kämpfen. Also: Eine
Wahrheitsorientierung muss ich haben, selbst wenn ich Zweifel habe, sie
zu erreichen oder anderen demonstrieren zu können. Darum gehts mir in
diesem Zusammenhang.

Wie ich schon oben ausführte: Aus meiner praktischen Erfahrung sehe ich nicht, daß ich eine Wahrheitsorientierung brauche, um Wissenschaft betreiben zu können.

Mein ursprünglicher Punkt, daß ich nicht sehe, wie wir den Abstand unserer wissenschaftlichen Modelle zur Realität („Wahrheit“) messen können, weil wir letztlich nicht wissen, wie die Realität („Wahrheit“) aussieht, wird in einem Buch eines US-amerikanischen (Wissenschafts-)Philosophen verdeutlicht: P. Kyle Stanford: „Exceeding Our Grasp: Science, History, and the Problem of Unconceived Alternatives“, Oxford University Press, Oxford, 2006. Stanford geht weiter, als ich das momentan tun möchte, und vertritt eine Gegenposition zum sogenannten „wissenschaftlichen Realismus“ (der meines Wissens auch von Popper vertreten wurde), der besagt, daß wir mit unseren wissenschaftlichen Theorien immer näher an die Realität herankämen.

Sehr lesenswert empfand ich in diesem Zusammenhang auch eine kleine Diskussion zwischen Stanford selbst und einem Rezensenten seines Buches, die sich im Netz unter http://serendip.brynmawr.edu/sci_cult/stanford/ findet.

Um ein wenig konkreter auf Ihre oben aufgeworfenen Fragen einzugehen: „Wer meint, es gebe gar keine Wahrheit oder keine Möglichkeit, ihr näher zu kommen oder ein Näherkommen könne man nicht von einem Entfernen mit unseren Erkenntnismöglichkeiten unterscheiden, der muss sich doch fragen, was er eigentlich mit der Wissenschaft will.“ Wissenschaft ist in meinen Augen relativ unabhängig von unserer Einstellung zur Existenz einer objektiven Realität respektive unserer Erkennbarkeit derselben. Wissenschaft versucht schlicht, mit unseren menschlichen Mitteln eine möglichst treffende Erklärung der von uns (direkt oder indirekt) beobachtbaren Phänomene zu geben. Nach Einstein wissen wir, daß Newtons Gleichungen zwar als Spezialfall von Einsteins Relativitätstheorie (bzw. exzellente Näherung für kleine Geschwindigkeiten) nach wie vor sinnvolle Ergebnisse liefern. Trotzdem würde heute keiner ernsthaft behaupten, auf der Basis von Newton alle uns bekannten Phänomene exakt berechnen zu können. Keiner sollte sich allerdings dazu versteigen zu behaupten, daß Einsteins Theorien nicht irgendwann genauso überholt werden wie er Newtons Theorien überholte. Newton galt über Jahrhunderte als unangreifbar, gerade weil seine Theorien und Gleichungen eine so exzellente Näherung für die unserer Erfahrung normalerweise zugängigen Prozesse sind.

Und noch eine weitere Anmerkung: „Es würde sich dann auch erübrigen, für Überzeugungen zu kämpfen.“ Das Kämpfen für Überzeugungen ist meiner Ansicht nach sowieso überhaupt nicht das Metier der Wissenschaften. Sicherlich hängt man selbst zuweilen an seinen eigenen Erklärungsansätzen, gewinnt sie regelrecht lieb und verteidigt sie mitunter vehement gegen Kritik. Trotzdem ist Wissenschaft – das hat die Erfahrung gezeigt – ausreichend selbstkorrigierend, daß sie ein solches Festhalten Einzelner an ihrer Erklärung nicht aufhalten kann.

Wenn man die Wissenschaften von der Bürde der „Wahrheit“ befreit, mit der sie in der Praxis weder operieren noch zu der sie irgendeinen sinnvollen Bezug haben bzw. herstellen können, dann stellt sich das „Kämpfen für Überzeugungen“ auch gar nicht mehr. Ob ich als Mensch, der Wissenschaft betreibt, für mich privat für Überzeugungen kämpfe oder nicht, das ist meine Privatangelegenheit. Aber ich sollte tunlichst trennen zwischen der Wissenschaft, die ich betreibe, und meinen Interpretationen der Daten, die ich dann als „Waffe“ im Kampf um Überzeugungen verwenden kann. Die Vorläufigkeit allen Wissens, das die Wissenschaften hervorbringen, macht dieses Wissen zur sehr stumpfen Waffe im Kampf um Überzeugungen.

3. Auslegung von Röm. 1,20

Auf S. 128 Ihres Buches zitieren Sie T. Waschke und kommentieren seine
Aussage:

Waschke […] nennt als Falsifikationsmöglichkeit: „Wenn es ID-Anhängern
gelingt, die Existenz eines Designers zu zeigen, ist eine durchgehend
naturalistische Erklärung nicht mehr möglich.“ Doch dies ist prinzipiell
nicht möglich, da es im Wesen eines Designers liegt, dass er nicht in
dem von ihm Geschaffenen festgestellt werden kann.

Wie legen Sie dann aber Röm 1,20 aus? Zugegeben hat dieses Argument
nichts mit Wissenschaft zu tun. Trotzdem argumentieren Sie ja ein
Kapitel später (S. 144) genau mit dieser Passage:

Es sei an das in Kapitel 1 zu Römer 1,18ff. Gesagte erinnert: Dort wird
gesagt, „dass ein aufmerksames Beobachten der Schöpfung unter Einsatz
des Verstandes auf einen Urheber schließen lässt, ja sogar dass man auf
diesem Wege etwas über sein Wesen erkennen kann“.

Für mich ergibt sich aus der Zusammenschau der beiden zitierten Passagen
ein Widerspruch Ihrer Argumentation. Das kann natürlich auf einem
Mißverständnis meinerseits beruhen. Für eine kurze Aufklärung
diesbezüglich wäre ich Ihnen jedenfalls sehr verbunden.


Ich denke der Punkt ist, was mit „zu zeigen“ gemeint ist. Ich
unterstellte Waschke, dass er einen Beweis im strengen Sinne meint. Den
kann es hier m. E. nicht geben. Es gibt verschiedene
Erklärungsmöglichkeiten oder -ansätze, die kann man auf Stichhaltigkeit
prüfen, wobei hier subjektive Wertungen kaum zu vermeiden sein dürften.
Das „Schließen auf einen Urheber“ ist für mich also die beste Erklärung,
die aber aus methodischen Gründen nicht die Strenge eines mathematischen
Beweises hat.

Vielleicht habe ich mich auch an diesem Punkt nicht klar genug ausgedrückt. Auch wenn ich Ihre Interpretation von T. Waschkes Aussagen interessant finde und Ihre Position teile, daß ein Beweis in mathematischer Strenge nicht möglich ist (was aber, das sei hier der Vollständigkeit halber angemerkt, für alle empirischen Wissenschaften gilt: Ein Beweis mit mathematischer Strenge läßt sich außerhalb der formalisierten Wissenschaften wie Mathematik und Informatik generell nicht führen) – mir ging es um einen ganz anderen Punkt.

Sie schreiben in Ihrer direkten Replik auf Waschke: „da es im Wesen eines Designers liegt, dass er nicht in dem von ihm Geschaffenen festgestellt werden kann.“

Das ist meines Erachtens ein klarer Widerspruch dazu, wie Sie selbst Röm 1,18ff. ein Kapitel später auslegen, nämlich daß man aus dem Betrachten „der Schöpfung“ auf den Schöpfer, sogar auf Teile seines Wesens, schließen könne.

Vielleicht können Sie hierzu doch noch einmal kurz Stellung nehmen. Wie ich schon in meiner ersten Email anmerkte, ist diese Rückfrage alleine meiner Neugierde geschuldet und hat nichts mit der ansonsten um wissenschaftliche Dinge kreisenden Diskussion zu tun.

essays/design.txt · Zuletzt geändert: 2017/12/09 21:27 (Externe Bearbeitung)